Marggraffbrücke | Eine wichtige Verkehrsader in Berlin wird neu gebaut

Die Marggraffbrücke verbindet die Ortsteile Baumschulenweg und Niederschöneweide in Berlin und überführt die Köpenicker Landstraße über den Britzer Verbindungskanal. Bis zu 40.000 Fahrzeuge und mehrere Buslinien nutzen die Brücke täglich. In unmittelbarer Nähe eröffnen die Berliner Verkehrsbetriebe ihren neuen Betriebshof für Elektrobusse.

Der Bestandsbau ist nicht zu retten

An der Brücke aus dem Jahre 1965 wurden an den Unterbauten unaufhaltsame Korrosionsvorgänge festgestellt. So wurde bei den massiven Unterbauten Alkali-Kieselsäure-Reaktionen und Ettringittreiben diagnostiziert. Ettringit ist ein chemisches Reaktionsprodukt, das ein um Faktor 8 größeres Volumen besitzt im Vergleich zu seinen Ausgangsstoffen. Hieraus folgen mechanische Spannungen in den Bauteilen – es kommt zu Rissen und Abplatzungen, die langfristig das Betongefüge zerstören. Außerdem wurde in den Überbauten der Bestandsbrücke Spannstahl eingesetzt, der hinsichtlich seines Ankündigungsverhaltens keine ausreichende Vorankündigung im Versagensfall sicherstellt und zu Spannungsrisskorrosion neigt.

Insgesamt wurde der gesamte bauliche Zustand als sehr schlecht eingestuft. Das WNA Berlin hat deshalb im Jahre 2015 einen Teil- bzw. Ersatzneubau der Brücke beschlossen.

Sechzehn Varianten für den Neubau waren im Rennen

Im Rahmen einer Vorplanung haben wir diverse Varianten für einen Teil- bzw. vollständigen Ersatzneubau entwickelt. Hierbei galt eine Reihe an Randbedingungen des Wasserstraßen-Neubauamts Berlin bzw. der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zu berücksichtigen u. a., Lage der Bauwerksachse, Stützweiten, Durchfahrtshöhen und Querschnitte in Abhängigkeit der Aufteilung der Verkehrsräume unter und auf der Brücke, Uferschutz und Verkehrsplanung während der Bauzeit.

Als Minimallösung wurde lediglich eine Verstärkung der Überbauten mit Neubau der Unterbauten betrachtet. Diese hat sich bei genauerer Analyse schnell als unwirtschaftlich gezeigt.

Diese Variante hätte eine Änderung der Anschlusshöhen an die vorhanden Infrastruktur nach sich gezogen. Die Organisation der Fahrspuren auf der Brücke, die kurze Restlebensdauer der Überbauten und die hohen Kosten, die der Bauablauf dieser Variante nach sich gezogen hätte, ließ einen teilweisen Ersatzneubau weder unter wirtschaftlichen noch unter unterhaltstechnischen Aspekten als sinnvoll erscheinen.

Für einen vollständigen Neubau als Ersatz für die Bestandsbrücke wurden 15 Varianten genauer betrachtet. Hierzu wurden 5 mögliche Brückenquerschnitte mit 3 Möglichkeiten der Gründung kombiniert. Ein integrales Bauwerk in Verbundbauweise in Kombination mit einer Tiefgründung hat sich letztendlich als die bestmögliche Lösung herauskristallisiert.

Sie ist besonders wegen ihres geringen Wartungsaufwandes und der geringen Unterhaltungskosten von Vorteil und reduziert aufgrund der Rahmentragwirkung die Bauhöhe der Träger deutlich. Damit ändert sich die Gradiente der Straße nur unwesentlich. Des Weiteren ist das Risiko in der Bauabwicklung geringer wegen der Gründung hinter dem Bestand, daraus resultiert eine gute Planungs- und Terminsicherheit. Optisch integriert sich die Vorzugsvariante sehr gut in die Geländesituation. Obwohl dieser Aspekt bei der Bewertung keine separate Rolle spielte, wirft er zusätzlich sein Gewicht in die Waagschale zugunsten der favorisierten Lösung.

Die Eingriffe in Natur und Infrastruktur beschränken sich auf ein Mindestmass

Die Trasse der Köpenicker Landstraße bleibt bestehen, so entsteht kein zusätzlicher Bedarf an Flächen für die Straßenführung. Im Brückenbereich verbessert sich gleichzeitig die Verkehrssituation, insbesondere zum Abbiegen auf die Minna-Todenhagen-Straße, deutlich.

Während der Bauphase wird der Transport der Fertigteile über die Straße oder den Wasserweg organisiert, auf Vormontageflächen vor Ort wird – auch aufgrund der begrenzten Flächen – weitestgehend verzichtet. Hierdurch bleibt die Landschaft im Uferbereich des BVK im Wesentlichen unverändert, die zu erneuernden Spundwände des BVK beschränken sich wie bisher auf den unmittelbaren Brückenbereich.  Gleichzeitig wird mit dem Ersatzneubau der Marggraffbrücke eine vorhandene Engstelle des BVK (Britzer-Verbindungs-Kanal) behoben und die Befahrbarkeit und Verkehrssicherheit der Wasserstraße verbessert.

Leitungs- und Schilder-Schiebepuzzle während der Bauphase

Neben der Planung des Ersatzneubaus stellte sich der Bauablauf in Verbindung mit der Aufrechterhaltung der hochfrequentierten Verkehrsbeziehungen als Herausforderung dar. Hinzu kommen bis zu 35 (Haupt-)Medienleitungen zur Versorgung der Stadteile Baumschulenweg und Niederschöneweide, welche mit der Bestandsbrücke überführt werden. Im Zuge des Abbruchs der Bestandsbrücken und der Herstellung der Ersatzneubauten müssen diese mehrfach umgelegt werden, ohne dabei den Straßen- und Schiffsverkehr langfristig zu unterbrechen. Um die diversen Leitungen umzulegen, wurden daher bereits im Vorfeld zur eigentlichen Brückenbau-Maßnahme zahlreiche Bauzustände für die Straßenverkehrsführung vorgesehen. Beteiligt sind hierbei die Verkehrslenkung Berlin, das Straßen- und Grünflächenamt Treptow-Köpenick, die Polizei und – nahezu alle – Leitungsbetreiber Berlins. Insgesamt wird es fast ein Jahr dauern, die Leitungsfreiheit herzustellen, bevor mit den eigentlichen Arbeiten zum Ersatzneubau der Marggraffbrücke begonnen werden kann.

Nach Auskunft der WSV – Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes – läuft die Baustelle derzeit rund. Bis kommenden März haben voraussichtlich alle Leitungsbetreiber ihre Arbeiten abgeschlossen. Dann ist geplant, die ersten Brückenüberbauten zu demontieren und nach Ostern auszuheben. Die Ausführungsplanung für den 1. Bauabschnitt ist nahezu komplett freigegeben.

Spannend wird nach Auskunft der WSV der Baugrubenverbau unter Nutzung der Widerlager der ersten Brücke. Diese sind stadteinwärts nur knapp von Bestandsleitungen entfernt.

Die umfangreiche Verkehrsplanung des Ingenieurbüros Linz im Vorfeld hat sich als sehr hilfreich herausgestellt, auch wenn sich vor Ort nicht alles 1:1 umsetzen lässt.

Die Herausforderung der Verkehrsführung unmittelbar im Kreuzungsbereich zweier hoch frequentierter Straßen führt zu einer großen Anzahl an Baken und Schildern rund um die Baustelle. Die Berlinerinnen und Berliner sind in dieser Hinsicht schon einiges gewöhnt. Nach einigen Tagen wissen alle, die die Strecke täglich passieren, Bescheid. Die Entscheidung, möglichst wenige „große“ Veränderungen an der Verkehrsführung vorzunehmen, hat sich bereits ausgezahlt.

Fotos: © Wasserstraßen-Neubauamt Berlin

 

 

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