Was erreichen wir, wenn es uns gelingt nicht jeden Tag 55 weitere Hektar an Flächen zu versiegeln und unser Abfallaufkommen deutlich zu reduzieren? Welchen positiven Einfluss hat es auf unsere Trinkwasserversorgung, wenn wir die 12 % an Frischwasser, die im Gebäudesektor verbraucht werden anderweitig nutzen können, zumindest Teile davon? Und was gewinnen wir, wenn Dürre, Sommerhitze oder Starkregen nicht regelmäßig unsere Infrastruktur beschädigen?
Ökobilanzierung ist eine der effektivsten Methoden, um die Umweltwirkungen von Konstruktionsarten, Energiekonzepten und Bauteilen zu ermitteln. Wir möchten verstehen, wie unsere gebaute Umwelt die kommenden Generationen beeinflusst. Die DGNB definiert bereits seit 2008, als eine der ersten Organisationen weltweit, Benchmarks für das Bewerten von Gebäuden in Bezug auf deren Nachhaltigkeit.
WAS IST EINE ÖKOBILANZIERUNG UND WARUM IST SIE 2025 SO WICHTIG?
Sie stellt eine neutrale Berechnungs- und Optimierungsmethode dar, die den gesamten Lebensweg eines Gebäudes bewertet. Sie betrachtet alle Phasen: von der Rohstoffgewinnung (A1) über Produktion (A2–A3), Transport (A4), Einbau (A5), Nutzung (B1), Instandhaltung (B2) bis hin zum Potential für Rückbau und Recycling (Phase D). Dabei hilft sie Planern und Bauherren, besser informierte Entscheidungen zu treffen. Zudem stimuliert sie Innovationen für Produkte und Gebäude mit höherer Qualität und besserer Effizienz. Die normative Grundlage für den Baubereich bilden in Deutschland die DIN EN 15978 (Gebäude) und die DIN EN 15804 (Bauprodukte und Dienstleistungen).
Besonders bedeutsam ist die Ökobilanzierung 2025, da sie ab 2028 mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) für alle Neubauten in Deutschland verpflichtend wird.
Bisher nutzt die Branche das Werkzeug häufig erst gegen Ende eines Bauprojektes und in der Regel, um ein Gebäude zertifizieren zu lassen. Die Methode spielt ihre volle Stärke aber besser aus, setzt man sie bereits in frühen Planungsphasen ein. Gerade zu Beginn eines Projektes lassen sich Änderungen mit geringem Aufwand – sowohl zeitlich als auch finanziell – umsetzen.
Die Ökobilanz oder Lebenszyklusanalyse (LCA) betrachtet den gesamten Lebenszyklus eines Produkts – von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung oder zum Recycling. Dieser ganzheitliche Ansatz wird auch als „Cradle to Cradle“ (von der Wiege bis zur Wiege) bezeichnet.
ZWEI DIN-NORMEN GEBEN DEN RAHMEN:
- DIN 15978 – Umweltbewertung von Gebäuden
- DIN 17472 – Nachhaltigkeitsbewertung von Ingenieurbauwerken
Dazu kommen Umweltproduktdeklarationen (EPDs) aus der Ökobaudat oder weiteren Datenbanken. Diese geben Auskunft darüber, welchen Einfluss ein Material oder Bauteil auf die Umwelt nimmt. Das beinhaltet u. a. den Primärenergiebedarf aber auch Umweltindikatoren wie den gefährlichen Abfall. Es gibt unterschiedliche Wege die EPD für ein Produkt zu deklarieren.
- Spezifische EPD: Vom Hersteller ermittelte Daten
- Repräsentative und Durchschnitts EPD: Der Durchschnitt mehrerer ähnlicher Produkte.
- Generische EPD: Entstehen auf Basis von allgemeinen Statistiken und enthalten in der Regel Sicherheitsaufschläge von 10 – 30 %
DIE METHODIK FOLGT VIER FESTGELEGTEN SCHRITTEN:
- Definieren von Ziel und Untersuchungsrahmen | Wie weit treibe ich die Detailtiefe, welchen Zeitraum betrachte ich und was soll das Bauwerk oder -teil genau leisten.
- Sammeln relevanter Daten in einer Sachbilanz | EPDs ermitteln
- Quantifizieren der Auswirkungen in der Wirkungsabschätzung | Mengen aus LV oder BIM-Modell ziehen und passende EPDs zuordnen
- Auswerten und interpretieren der Ergebnisse | Variantenvergleich
Hierbei werden verschiedene Umwelteffekte berücksichtigt, darunter Treibhauspotenzial (GWP), Versauerungspotenzial (AP) und Ressourcenverbrauch. Für Unternehmen gewinnt das Thema außerdem im Rahmen der EU-Taxonomie an Bedeutung, die eine Offenlegung des CO₂-Fußabdrucks von Bauwerken fördert.
WIE NUTZE ICH DAS WERKZEUG DER ÖKOBILANZIERUNG BESTMÖGLICH?
Die Integration digitaler Tools macht den Unterschied. BIM-Modelle ermöglichen automatisierte Ökobilanzen. Außerdem nutzen wir Tools wie eLCA oder OneClickLCA für einfache, transparente Berechnungen. Diese Werkzeuge ermöglichen Variantenvergleiche verschiedener Konstruktionsweisen – ein wesentlicher Hebel für bessere Gebäude.
Zukunftsweisend ist auch die stärkere Berücksichtigung des Moduls D (Recycling-Potential). Seit der Normaktualisierung ist dieses Modul nicht mehr freiwillig, sondern obligatorisch. Eine einfache Rückbaubarkeit und recyclebare Materialien reduzieren die Entsorgungskosten bei Instandhaltungsmaßnahmen, Sanierung oder Umbau. Darüber hinaus erfolgt eine zunehmende Detaillierung von der Gebäudeebene hin zur Produktebene.
Bei Kupferrohren beispielsweise beträgt die Gutschrift beim Recycling etwa 37% der Produktionsemissionen.
Beim Planen unserer Projekte nutzen wir zusätzlich
- Die Berechnung von Lebenszykluskosten (LCC) für wirtschaftliche Bewertungen
- QNG-konforme Ökobilanzierung für KfW-Förderungen
- Die ÖKOBAUDAT-Datenbank, IBU-EPD, ECO-Plattform und viele weitere Datenbanken
Grundsätzlich ermöglicht die Ökobilanzierung fundierte Entscheidungen für umweltfreundlicheres Bauen. Sie hilft dabei, Schwachstellen aufzudecken und konkrete Verbesserungspotenziale aufzuzeigen.
Tatsächlich hilft es im Planungsprozess „Hot Spots“ zu identifizieren. Das Sortieren der Bauteile nach Treibhauspotenzial-Intensität hilft, die richtigen Schwerpunkte zu setzen.
Fazit
Die Ökobilanzierung entwickelt sich 2025 zu einem unerlässlichen Werkzeug für nachhaltige Bauvorhaben. Tatsächlich bietet sie weit mehr als nur Zertifizierungen. Sie eröffnet konkrete Chancen für Umweltschutz und Kosteneffizienz zugleich. Durch das frühzeitige Integrieren in den Planungsprozess lassen sich Bauvorhaben erheblich optimieren.
Die Zukunft sieht vielversprechend aus. Moderne digitale Tools und BIM-Modelle vereinfachen den gesamten Prozess. Dadurch wird die Ökobilanzierung für alle Beteiligten zugänglicher und praxistauglicher. Besonders erfreulich ist die zunehmende Beachtung des Recycling-Potenzials. Dies führt zu einem geschlosseneren Materialkreislauf und einer verbesserten Gesamtbilanz.
Wir stehen vor einer positiven Entwicklung im Bauwesen. Einerseits werden Ökobilanzen durch die kommende EU-Gebäuderichtlinie bald verpflichtend. Andererseits entdecken immer mehr Branchen die Vorteile dieses Ansatzes. Diese doppelte Dynamik schafft Innovationen und neue Perspektiven.
Alles in allem steht die Ökobilanzierung für einen Paradigmenwechsel. Statt Lösungen nur in Bezug auf Wirtschaftlichkeit zu bewerten, werden diese zusätzlich im Sinne der Umwelt gestaltet. Dieser Ansatz verbindet wirtschaftliche und ökologische Interessen auf wertvolle Weise. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie diese Methode das nachhaltige Bauen grundlegend voranbringt.